Probleme und Motivation
Die Speicherung von Kaltwasser und Wassereis besitzt viele (theoretische) Vorteile (z. B. ökologischer Speicherstoff, Pumpfähigkeit von Eisbrei) [1]. Jedoch konnten sich Eisbreisysteme aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen (z. B. zu teure Anlagentechnik, zu niedrige Arbeitszahlen). Verschiedene Techniken (Abbildung 1) lassen sich auch nicht auf große Leistungen skalieren bzw. bei der Übertragung auf große Leistungen konnten keine Kostenreduktionen bzw. keine Effizienzsteigerungen erreicht werden.
Ansatz und Aufgaben
Deswegen ist eine verfahrenstechnische Herstellung von Eisbrei erforderlich (z. B. Abbildung 1 d), Injektortechnik). Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen mit großen Kaltwasserspeichern [2] wird eine Kombination beider Techniken angestrebt (z. B. Normal-Betrieb im Kaltwassermodus, Spitzenlast-Betrieb mit optionaler Kapazitäts- und Leistungserhöhung mit Eisbrei). Die wäre für nachträgliche Anpassungen bestehender Nah- und Fernkältesysteme von außerordentlicher Bedeutung (z. B. Pharmaindustrie, kommunale Fernkälte). Es ist auch der Einsatz von überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen möglich (Power-to-Cold). Diese Technologie wäre auch für den Export geeignet. In vielen Großstädten (z. B. in Asien) mit stark begrenzten Flächen- und Raumverhältnissen sind derartige Ansätze von sehr hoher Bedeutung.
Folgende Aufgaben sollen bearbeitet werden:
- Entwicklung eines Eisbreierzeugungsverfahren auf der Basis von dispergierbaren Mehrstoffsystemen im Modellmaßstab,
- Entwicklung eines Trenn- und Einspeiseverfahrens in konventionelle Kaltwasserssysteme,
- hybride Speicherbetriebsweise, Kaltwasser mit thermischer Schichtung, Verteilungsvorgänge bei der Eisbreibeladung, Entladung von Wasser mit niedrigem bis moderatem Eisanteil,
- Aufbau eines Demonstrators in der technischen Plattform sowie Test, Betrieb, Optimierung,
- Entwicklung von Ansätzen zur Überführung in den Megawatt-Bereich,
- Optimierung des Systembetriebs und der Anlagendimensionierung mittels validierter Simulationen.
Stand und Ergebnisse
Im Teilprojekt 9 haben sich zwei verschiedene Ansätze zur Eisbreierzeugungsverfahren auf der Basis von dispergierbaren Mehrstoffsystemen als aussichtsreich erwiesen. Am Fraunhofer ISE werden Möglichkeiten zur Herstellung von Eisbrei mit Wasser-Öl-Emulsionen untersucht. Parallel dazu verfolgen die Forscher der TU Chemnitz einen Ansatz mit Mehrstoff-Dispersionen.
Eisbreierzeugung mit Öl-Wasser-Emulsion (ISE)
Mehrere Wasser-in-Öl-Phasenwechseldispersionen (Phase Change Slurry, PCS) wurden im Verlauf des Projekts mittels Ultraschallverfahren (Abbildung 2) hergestellt und evaluiert. Dabei wurden verschiedene Ölphasen und Tenside auf Eignung für eine stabile PCS getestet. Die Stabilität während der thermischen Zyklierung zwischen gefrorenem und geschmolzenem Zustand wurde mit Hilfe von dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) und rheologischen Untersuchungen beurteilt. Eine Kombination aus Wasser, Alkanen und Polysorbaten hat sich als geeignet herausgestellt, um Kälte über einen Zeitraum von über einem Monat zu speichern und transportieren. Zusätzlich konnte eine dynamische Gefrierpunktserniedrigung zur Anpassung der Arbeitstemperatur an Anwendungsbedarfe realisiert werden, womit der Vorteil von latent gespeicherter Kälte genutzt wird. Gegenüber reinem Thermalöl ergibt sich je nach Wassergehalt eine vielfache thermische Speicherkapazität bei reduzierten Materialkosten. Perspektivisch soll die Phasenwechseldispersion mit Materialien geringerer Viskosität verbessert und in einer Versuchsanlage der Projektpartner getestet werden.
Eisbreierzeugung mit Mehrstoff-Dispersion (TUCtt)
Es wurde ein neuartiges Verfahren zur Eisbreierzeugung basierend auf einem dispergierbaren Mehrstoffsystem entwickelt. Dieses soll die Limitierungen herkömmlicher Systeme überwinden, wie bspw. den Verschleiß mechanisch bewegter Bauteile, die Erfordernis einer separaten Kältemaschine, den Einsatz nachteiliger Kältemittel, den ineffizienten Kältemaschinenbetrieb, begrenzte Eisproduktionsraten bzw. Skalierbarkeit der Verfahren auf sehr große Kälteleistungen. Die bisherigen Arbeiten umfassen:
- die Recherche zum Stand der Technik und Forschung bzgl. Eisbreierzeugungsverfahren,
- die Konzeption und Entwicklung eines neuen Verfahrens auf Basis einer Mehrstoff-Dispersion,
- erfolgreiche Eisbreierzeugung in experimentellen Untersuchungen (Abbildung 3),
- sowie Planung und Aufbau eines Demonstrators im Labormaßstab.
Die Montage dieser Versuchsanlage erfolgt derzeit am ILK Dresden (Abbildung 4). Im Laufe des 4. Quartals 2024 wird sie in die Laborräume an der TU Chemnitz überführt und dort in Betrieb genommen. Der Demonstrator soll einerseits den Funktionsnachweis des neuentwickelten Eisbrei-Erzeugungsverfahrens erbringen. Andererseits soll er durch umfangreiche messtechnische Analysen der Prozessparameter ein tieferes Verständnis der auftretenden Kälteeffekte und die Optimierung des Verfahrens ermöglichen.
Veröffentlichungen
Rausendorf, J.; Urbaneck, T.
Herstellungsverfahren von Eisbrei - Stand der Technik und Forschung
HLH Lüftung/Klima Heizung/Sanitär Gebäudetechnik VDI Fachmedien 74. Jg. (2023) Heft 03 S. 56-60. – ISSN 1436-5103
Matthes, M.; Rausendorf; J.; Richter, M.; Urbaneck, T.
Vorstellung eines neuartigen Verfahrens zur Erzeugung von Eisbrei auf der Basis eines dispergierbaren Zweistoffsystems, Teil 1
KI – Kälte-, Luft- und Klimatechnik, Hüthig 59. Jg. (2023) Heft 8-9 S. 44-47. – ISSN 1865-5432
Matthes, M.; Rausendorf; J.; Richter, M.; Urbaneck, T.
Experimentelle Untersuchung eines neuartigen Verfahrens zur Erzeugung von Eisbrei auf der Basis eines dispergierbaren Zweistoffsystems, Teil 2
KI – Kälte-, Luft- und Klimatechnik, Hüthig 59. Jg. (2023) Heft 10-11 S. 50-54. – ISSN 1865-5432
Rausendorf, J.; Urbaneck, T.
Méthodes de production du coulis de glace
Cool&Comfort Heft 100 (Februar 2024), S. 38-42.
Rausendorf, J.; Urbaneck, T.
Productiemethodes voor ijsslurry
Cool&Comfort Heft 100 (Februar 2024), S. 38-42.
Matthes, M.; Rausendorf, J.; Richter, M.; Urbaneck, T.
Dispersionsbasierte Eisbreierzeugung Entwicklung eines neuartigen Verfahrens
Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein e. V. DKV (Hrsg.): Deutsche Kälte‐ und Klimatagung 2023 Hannover. Hannover, 2023 Tagungsband (Datenträger). – ISBN 978-3-932715-56-3. https://dkv.org/index.php?id=161
Matthes, M.; Rausendorf, J.; Richter, M.; Urbaneck, T.
Experimental Investigation Of A Novel Process For The Generation Of Ice Slurry Based On A Dispersible Two-Substance System
International Institute of Refrigeration (Hrsg.): 14th IIR Conference on Phase-Change Materials and Slurries for Refrigeration and Air Conditioning. Paris, 2024, S. 52-59. - ISBN 978-2-36215-055-5 DOI: 10.18462/iir.pcm.2024.0019.
Kick, M.; Lefkir, C.; Gschwander, S.
Development of Water-in-Oil Phase Change Slurries for Cold Transport and Storage below 0 °C
International Institute of Refrigeration (Hrsg.): 14th IIR Conference on Phase-Change Materials and Slurries for Refrigeration and Air Conditioning. Paris, 2024, S. 30-37. - ISBN 978-2-36215-055-5 DOI: 10.18462/iir.pcm.2024.0014.
Matthes, M.; Rausendorf, J.; Richter, M.; Urbaneck; T.
A novel process for the generation of ice slurry based on a dispersible two-substance system
Enerstock 2024, 16th International Conference on Energy Storage; Kuznik, F. (Hrsg.). Lyon, 2024, Tagungsband, S. 9-12. – ISBN 978-2-9595978-0-0 DOI: 10.5281/zenodo.13790499
Quellen
- Urbaneck, T.: Kältespeicher – Grundlagen, Technik, Anwendung. München: Oldenbourg 2012, 479 S. – ISBN 978-3-486-70776-2
- Urbaneck, T.; Uhlig, U.; Göschel, T.: Große Kaltwasserspeicher – Stand der Technik in Deutschland. ki – Kälte-, Luft- und Klimatechnik Hüthig 55. Jg. (2019) Heft 12 S. 48-53. – ISSN 1865-5432