Seit heute, 10. Juni 2022, ist die offizielle Internetseite der Forschungsplattform Kälte- und Energietechnik (KETEC) verfügbar. Diese ist erreichbar unter: www.ketec.online. Damit wird die Arbeit im Teilkomplex 3 - Forschung im geplanten Bundeskompetenzzentrum für Kälte- und Klimatechnik nach außen sichtbar gemacht.
Bereits am 2. Juni konnte sich Oberbürgermeister Raphael Kürzinger ein Bild von der Internetseite machen und ließ sich von Prof. Dr. Thorsten Urbaneck und Prof. Dr. Markus Richter die Inhalte der Seite erläutern (siehe Foto). Die Forschungsplattform Kälte- und Energietechnik KETEC in Reichenbach stellt sich den Herausforderungen der Kälte- und Energietechnik. Mit insgesamt 15 Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2021 den Aufbau dieser Plattform.
Hinter dem KETEC-Logo steckt eine besondere Idee. Die unterschiedlichen Farben veranschaulichen die verschiedenen Temperaturbereiche von -50 °C bis 140 °C und die 13 Teilprojekte. Es strahlt die Vielfältigkeit der Plattform aus und symbolisiert eine Schneeflocke als typisches Markenzeichen der Kältetechnik. Das Logo und die Internetseiten gestalteten das Unternehmen Creativ Werbung aus Reichenbach.
Oberbürgermeister Raphael Kürzinger sprach mit Prof. Dr. Markus Richter, Leiter der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz, und Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, Projektkoordinator KETEC und Projektleiter für die TU Chemnitz, über aktuelle Herausforderungen im Bereich der Kälte- und Energietechnik.
Im Fokus: Bezahlbare, ökologische Lösungen für die Bereitstellung von Wärme und Kälte
Raphael Kürzinger: Die offizielle Internetseite ist verfügbar und ich möchte Sie fragen, was machen Sie in Reichenbach?
Thorsten Urbaneck: Die Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz (TUCtt), das Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH Dresden (ILK) und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE aus Freiburg haben im Jahr 2020 einen gemeinsamen Forschungsantrag gestellt. Gemeinsam wollen wir Lösungen im Bereich der Kälte- und Energietechnik finden, die der Energiewende dienen und zu einem deutlich besseren Klimaschutz beitragen.
Raphael Kürzinger: Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Forscherinnen und Forscher der „Forschungsplattform Kälte- und Energietechnik“ derzeit konfrontiert?
Markus Richter: Im Bereich der Kälte- und Energietechnik gibt es vielfältige und komplexe Aufgaben. Das beginnt u. a. mit der Grundlagenforschung zum thermophysikalischen Verhalten der Arbeitsmedien, die in der Kältetechnik als Kältemittel bezeichnet werden. Hier sind viele Zusammenhänge noch unbekannt, und Entwicklern fehlen die jeweiligen Stoffdaten zur Berechnung der Maschinen. Als typisches Beispiel sind Kältemittel-Öl-Gemische zu nennen. Stoffdaten für reine Kältemittel sind häufig gut erforscht und demzufolge bekannt. In der Praxis werden in den Maschinen allerdings Öle zur Schmierung und Kühlung eingesetzt. Liegen also beide Stoffe vor, findet der Entwicklungsingenieur keine Stoffdaten für die vorliegende Mischung. Auch brauchbare Modelle zur Berechnung der benötigten Daten sind nicht verfügbar. Diese sind für die Berechnung und die Simulation jedoch unbedingt erforderlich.
Darüber hinaus muss man das Ganze im Zusammenhang mit der sogenannten Kältemittelproblematik betrachten. Die Kältemittel, die in den letzten Jahrzehnten eingesetzt wurden, waren Ozonkiller und Treibhausgase mit einer sehr starken Wirkung. Das bedeutet, dass viele Kältemittel eine tausendfach schädlichere Wirkung als Kohlendioxid haben. Seit den 90-er Jahren sind schon viele dieser Kältemittel verboten. Die Entwicklung muss in Richtung ökologischer Kältemittel weitergehen, was der Gesetzgeber auch fordert. Dieser Weg ist nicht unproblematisch. Neue Kältemittel sind oft brennbar oder giftig. Außerdem bemühen sich die Kältemittelhersteller und Forscher, dass die neuen Kältemittel einen möglichst effizienten Kältemaschinenbetrieb ermöglichen.
Thorsten Urbaneck: Grundsätzlich beschäftigen wir uns auch mit der Entwicklung und Erforschung von Komponenten und Systemen zur Kälte- und Wärmeversorgung. Das sind beispielsweise Kältemaschinen und Rückkühler. Diese werden zur Klimatisierung und Kühlung von Lebensmitteln eingesetzt. Der gleiche Prozess kommt aber auch bei Wärmepumpen zum Einsatz. Dann versorgen diese Maschinen die Raumheizung oder liefern Wärme für die Industrie.
Raphael Kürzinger: Sie sprechen von Kälte- und Wärmeversorgung. Nun ist in vielen Medien der Ausbau der Windkraft- und Photovoltaikanlagen ein großes Thema. Wie ordnet sich das Projekt in die derzeitige energiewirtschaftliche Situation ein?
Thorsten Urbaneck: Ja, wir wollen den Anteil des erneuerbaren Stroms und der erneuerbaren Wärme innerhalb der Kälte- und Wärmeversorgung deutlich erhöhen. Wie die aktuelle energiewirtschaftliche Situation zeigt, müssen wir dabei an zwei Schrauben drehen. Oft wird die Steigerung der energetischen Effizienz genannt. Das bedeutet, wir müssen Abwärmequellen oder natürliche Kältequellen besser nutzen. In KETEC entwickeln wir deswegen Wärme- und Kältespeicher weiter. Perspektivisch geht es aber nicht ohne die massive Nutzung der Erneuerbaren Energien, wie Strom, Wärme und Kälte.
Markus Richter: Hier bietet sich die Nutzung des überschüssigen Stroms aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen an. Diesen Strom setzen wir mit Wärmepumpen oder Kältemaschinen sehr effizient in Wärme oder Kälte um, speichern diese Energie und liefern diese bedarfsgerecht. Fachleute sprechen dann von Sektorenkopplung. Hier bestehen sehr große Potenziale, was insbesondere für die Industrie von Interesse ist.
Raphael Kürzinger: Welche Ansätze wird die Forschungsplattform KETEC künftig verfolgen?
Thorsten Urbaneck: Zunächst ist es wichtig, dass jeder technische Ansatz untersucht und in Betracht gezogen wird. Man sollte keine Chance auslassen, die energie- und umweltpolitischen Ziele zu erfüllen. Es kommen jedoch weitere wichtige Aspekte hinzu. Aus ökologischen und volkswirtschaftlichen Gründen müssen wir die Lösungen möglichst schnell umsetzten. Dabei spielen die Kosten für die bereitgestellte Wärme und Kälte eine Schlüsselrolle. Diese Lösungen müssen bezahlbar bleiben. Die Komponenten und Systeme, die wir in KETEC entwickeln, sollen diese praktischen Anforderungen erfüllen.
Raphael Kürzinger: Zeigen Unternehmen der Branche Interesse an diesen Ansätzen?
Markus Richter: Bereits während der Antragstellung gab es ein sehr hohes Interesse von großen und mittelständischen Unternehmen aus Deutschland an der Mitwirkung. Deswegen wird KETEC auch von einem Industriebeirat begleitet. Diese Firmen wollen später die Lösungen umsetzen und anbieten. Auch internationale Forschungseinrichtungen sind auf uns aufmerksam geworden. Perspektivisch wollen wir internationale Kooperationen auf- und ausbauen.
Raphael Kürzinger: Das klingt nach einem großen Aufgabenspektrum. Wie ist die Arbeit von KETEC in Reichenbach gesichert? Was haben Sie konkret in Reichenbach vor und warum steht Energie im Titel?
Markus Richter: Die Forschung wird über das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland finanziert. In diesem Forschungsprogramm sind die entsprechenden förderpolitischen Ziele formuliert. Bereits im August 2019 haben der Freistaat Sachsen, die Stadt Reichenbach, die TU Chemnitz und weitere Akteure einen Kooperationsvertrag zur Zusammenarbeit in dem beschriebenen Fachgebiet unterzeichnet. Seitdem wurde intensiv an der Umsetzung gearbeitet, und der Freistaat Sachsen plant, eine Außenstelle der TU Chemnitz in Reichenbach zu errichten. Dabei übernimmt der Freistaat Sachsen die Bereitstellung der Rahmenbedingungen und ermöglicht eine Zusammenarbeit der drei Projektpartner vor Ort in Reichenbach.
Raphael Kürzinger: Was können wir als Reichenbacher tun?
Markus Richter: Der Bildungssektor nimmt in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle ein. Machen Sie Werbung für die exzellenten Ausbildungs- und Entwicklungschancen in Deutschland! Die oben angesprochenen Themen sind aus meiner Sicht nicht nur sehr interessant, sondern sichern auch regionale Arbeitsplätze und den Wohlstand. Das heißt, wir suchen die Wegbereiter für die Energiewende in den nächsten Jahrzehnten.
Thorsten Urbaneck: Am meisten würde ich mich über ein regionales Interesse freuen. Fragen Sie uns, kontaktieren Sie uns. Denn nur mit einem gesellschaftlichen Konsens können wir die ökologischen und energiewirtschaftlichen Probleme lösen.
Raphael Kürzinger: Vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen und ihren Projektpartnern viel Erfolg und gutes Gelingen.
Dem Oberbürgermeister Raphael Kürzinger (links) erläutern am 02. Juni 2022 Prof. Dr. Thorsten Urbaneck (Mitte) und Prof. Dr. Markus Richter (rechts) den Aufbau und die Inhalte der Internetseite, Foto: Th. Urbaneck