Motivation
Zur Erfüllung der Klimaschutzziele stellt die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung einen großen Ansatzpunkt dar. Dies wird insbesondere durch die Tatsache gestützt, dass bei der Betrachtung des Endenergieverbrauchs für Wärme nach Anwendungsbereichen und Sektoren im Jahr 2017 rund 625 TWh für Prozesswärme verbraucht wurden – ein Großteil in Form von Prozesswärme bei hohen Temperaturen in der Industrie (515 TWh).
Eine Studie aus dem Jahr 2018 [1] bezifferte das Potential für industrielle Wärmepumpen auf rund 626 PJ (ca. 174 TWh) pro Jahr für Nutztemperaturen bis zu 150 °C. Das größte Potential liegt in der Lebensmittel- und Tabakindustrie gefolgt von der chemischen Industrie und der Papierindustrie.
Das Angebot von Wärmepumpen mit großer Leistung und entsprechend hohen Vorlauftemperaturen ist im gleichen Atemzug in den vergangenen Jahren ständig gewachsen [2]. Es existieren verschiedene Wärmepumpen-Modelle, die entsprechende Nutztemperaturen bis 90 °C erreichen. Im Bereich oberhalb 100 °C finden sich nur wenige kommerziell verfügbare Systeme. Die Höhe der erreichbaren Vorlauftemperatur wird in erster Linie durch die Wahl des Kältemittels, der Auslegung und des Verdichtertyps bestimmt. Neben der Technologieentwicklung an Verdichtern und der Kältekreis-Auslegung ist der Generationenwechsel bei den Kältemittel das vorherrschende Thema. Natürliche Kältemittel wie Ammoniak, CO2, Kohlenwasserstoffe – beispielsweise Butan - aber auch Hydrofluorolefine (HFO) sind in der Diskussion und werden bereits vermehrt eingesetzt.
Allerdings existieren zahlreiche Hemmnisse für die Verbreitung von industriellen Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTWP) [2]. Ein wesentliches, nicht-technisches Hemmnis ist ein zu geringer Bekanntheitsgrad der technischen Möglichkeiten und der wirtschaftlich realisierbaren Anwendungspotentiale von Wärmepumpen bei Investoren und Anlagenplanern aber auch bei Technikern. Beide Hemmnisse, sowohl technische Fragestellungen wie auch der Abbau von Wissenslücken insbesondere auch im Umgang mit natürlichen Kältemittel sollen in diesem Teilprojekt bearbeitet werden.
Ansatz und Aufgaben
Im Rahmen diese Teilprojektes soll zunächst der Aufbau eines Hochtemperatur-Versuchskältekreis zur Bearbeitung der technischen Fragestellungen am Fraunhofer ISE erfolgen. Dieser beinhaltet eine Visualisierung und die Implementation von Mess-, Prüf-, Steuer- und Regelungsschritten um Versuchsdurchführungen auch im Schulungsbereich zu ermöglichen und somit den fehlenden Erfahrungswerten zu begegnen.
Parallel dazu wird der Aufbau eines Quellensimulators (HiL) als Wärmequelle für den Versuchskältekreis zur Emulation von verschiedenen Niedertemperatur-Wärmequellen (Solarfeld, Fluss) verfolgt. Im letzten Schritt soll das System an den Standort Reichenbach überführt werden und in eine virtuelle Laborumgebung zur Fernsteuerung der Versuche eingebunden werden, sobald die entsprechende Infrastruktur in Reichenbach geschaffen ist.
Stand der Arbeiten
Im Rahmen des Teilprojektes 6 wurden bereits der Hochtemperatur-Versuchskältekreis (Abbildung 3 rechts) und die Laborinfrastruktur, inklusive Quellensimulator (Abb. 2, Abb. 3 links) aufgebaut und am Fraunhofer ISE in Freiburg in Betrieb genommen. Diese Wärmepumpe ermöglicht die Bereitstellung von Nutzwärme mit bis zu 140 °C und mit einer Wärmeleistung von ca. 40 kW. Im Projektverlauf wurde sich für n-Butan (R600) als Kältemittel entschieden, da es umweltfreundlich und für den Temperaturbereich geeignet ist.
Eine Besonderheit des Wärmepumpenfunktionsmusters ist der komplexe Aufbau mit vielfältigen Verschaltungsmöglichkeiten. Dieser besteht aus zwei Verdichtern, einem Verflüssiger, einem Unterkühler, einem internen Wärmeübertrager, einem geschlossenen Economizer, einem Flash-Tank (offener Economizer) und zwei Verdampfern. Der einfache Kreislauf mit vier Komponenten, so wie er häufig auch in der Kältetechnik eingesetzt wird, gilt als Referenz für den Vergleich der Verschaltungen. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verwendung eines internen Wärmeübertragers eine leicht umsetzbare und kostengünstige Möglichkeit zur Steigerung der Effizienz ist. Die zweistufige Verdichtung ist gerade bei hohen Temperaturhüben zwischen der Wärmequelle und -senke von Vorteil. Dabei kann je nach Verschaltung, ob mit offenem oder geschlossenem Economizer das Heißgas der ersten Verdichtungsstufe gekühlt oder weiter überhitzt werden. Die Parallelverdichtung wird im Allgemeinen zur Leistungssteigerung eingesetzt.
Aktuell befindet sich der Aufbau im Messbetrieb. Dabei werden folgende Einflussfaktoren auf die einzelnen Verschaltungen untersucht: Überhitzung, Unterkühlung, thermische Leistung (Verdichterdrehzahl), Quellentemperatur und Senkentemperatur. Nach Auswertung der Messergebnisse werden diese veröffentlicht. Außerdem erstellt das Forschungsteam derzeit ein digitales Lernmodul, das Grundlagenwissen zu (Hochtemperatur-) Wärmepumpen vermittelt und auf Arbeiten mit dem Hochtemperatur-Versuchskältekreis vorbereitet.
Veröffentlichungen
Teles de Oliveira, H.; Braungardt, S.; Fugmann, H.; Schnabel, L.; Henninger, S.
Planning, design and construction of a multi-purpose high-temperature heat pump test bench for hydrocarbons
15th IIR-Gustav-Lorentzen Conference on Natural Refrigerants, 13-15 June 2022, Trondheim. http://dx.doi.org/10.18462/iir.gl2022.0050
Henninger, S.; Teles de Oliveira, H.; Benktert, S.; Schöttl, P.
Hochtemperatur-Wärmepumpen - Technologie und Marktübersicht
ki - Kälte-, Luft- und Klimatechnik Hüthig 59. Jg. (2023) Heft 4 S. 44-50 - ISSN 1865-5432
Teles de Oliveira, H.; Benkert, S; Wittstadt, U.; Dorka, L.; Henninger, S.; Kabelac, S.
Dekarbonisierungspotenzial durch dampfbereitstellende Wärmepumpen
In: Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein e. V. DKV (Hrsg.): Deutsche Kälte‐ und Klimatagung 2023 Hannover. Hannover, 2023 Tagungsband (Datenträger). – ISBN 978-3-932715-56-3. https://dkv.org/index.php?id=161
Quellen
- Arpagaus, C., Bless, F., Uhlmann, M., Schiffmann, J. u. Bertsch, S. S.: High temperature heat pumps: Market overview, state of the art, research status, refrigerants, and application potentials. Energy 152 (2018), S. 985–1010
- Arpagaus, C.: Hochtemperatur-Wärmepumpen. Marktübersicht, Stand der Technik und Anwendungspotenziale. Berlin, Offenbach: VDE Verlag GmbH 2019