Titelbild Teilprojekt 11

Motivation

Der Betrieb der informationstechnischen Infrastruktur ist mit einem signifikanten Energieverbrauch verbunden. In Europa sind das ca. zwei Prozent der gesamten Stromproduktion, wobei der Bedarf signifikant steigt. Hierfür sind verschiedene Entwicklungen verantwortlich (z. B. Steigerung der Leistungsfähigkeit und zunehmende Nutzung von Berechnungsprogrammen, höheres Angebot von Dienstleistungen, Übertragung von multimedialen Inhalten usw.). Die elektrische Leistung wird für folgende Bereiche benötigt:

  • Informationstechnik (Server, Netzwerkskomponenten, Speicher usw.),
  • Kühlung (Betrieb von Kältemaschinen, Pumpen, Ventilatoren, Regelung und Steuerung usw.),
  • Stromversorgung (Wechselrichter, Notstrom- und Absicherungskomponenten, Regelung und Steuerung usw.),
  • weitere Gebäudetechnik (Beleuchtung usw.).

Der verbrauchte Strom wird letztendlich in thermische Energie (umgangssprachlich Wärme) umgewandelt. Um eine unzulässige Temperaturerhöhung zu vermeiden, müssen alle Komponenten mehr oder minder gekühlt werden (Wärmeabfuhr).

Die Stromerzeugung basiert zurzeit - global gesehen - auf einem relativ hohen Anteil von fossilen und nuklearen Energieträgern. Deren Nutzung ist mit vielen signifikanten Problemen behaftet. Deswegen sind Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen notwendig. Diese Maßnahmen mit energiewirtschaftlichen und ökologischen Ansätzen werden im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) zunehmend angewandt. Diese lassen sich wie folgt systematisieren:

  • Effizienzsteigerung,
    • Verbesserung der elektronischen Bauelemente (Reduktion des spezifischen Strombedarfs),
    • Nutzung von Virtualisierungstechniken,
    • Einsatz von sogenannten Rechenbeschleuniger,
    • Reduktion von Prozessortakt und -spannung,
    • Einsatz effizienter energietechnischer Komponenten (z. B. Kältemaschinen, Motoren) und Systeme,
  • Einsatz erneuerbarer Energien,
    • erneuerbare Stromversorgung (z. B. Wind, Photovoltaik),
    • Nutzung erneuerbarer Kälte (z. B. Außenluft, Grund- und Oberflächenwasser),
  • Wärmerückgewinnung,
    • Raumheizung (z. B. Server zur Raumluftheizung).

Ansatz und Ziele

Das Teilprojekt verfolgt eine neue Betriebsweise von flüssigkeitsgekühlten Servern und eine Entwicklung der Kühl- und Heiztechnik. Über diese Lösung sollen folgende spezielle Ziele erreicht werden:

  • bestmögliche Nutzung von Abwärme aus IKT-Prozessen,
    • Reduktion der Betriebskosten für Heizen und Kühlen im Gebäude vor Ort,
    • Vermeidung ungünstiger Raumluftzustände im Betriebsraum der Rechentechnik (z. B. Überhitzung, unnötige bzw. ineffiziente Raumkühlung),
  • dadurch Senkung der Betriebskosten,
  • gleichzeitige Senkung des Primärenergieverbrauchs des Gebäudes,
  • Vergrößerung des Anteils regenerativer Energiequellen zur Deckung der Leistungsaufnahme,
  • bessere Anpassung der aktiven Server an das Lastprofil des Serversystems mittels automatischer Betriebsplanung,
  • Steuerung nach Vorgaben des IKT-Betreibers,
  • Entwurf eines flexiblen und nachrüstbaren Systems,
  • Entwicklung von Quartierskonzepten,
  • Wettbewerbsstärkung der Firmen, die folgende Produkte entwickeln bzw. Dienstleistungen anbieten.

Stand und Ergebnisse

Experimentelle Arbeiten

Im TP11 soll das Verhalten von Servern mit direkter Flüssigkeitskühlung untersucht werden. Hierfür beschafften die Projektbearbeiter ein flüssigkeitsgekühltes Hochleistungsrechensystem von der Firma Megware aus Chemnitz (Abbildung 1). Das IT-System besteht unter anderem aus 10 Compute Blades (2 x AMD Epyc Prozessoren inkl. 256 Gb Arbeitsspeicher je Blade) mit einem InfiniBand Hochgeschwindigkeits-Netzwerk. Die bei der Auslastung der IT-Komponenten anfallende Abwärme wird über den aufgebauten Kühlkreislauf abgeführt. Der flexible Aufbau des Kühlkreislaufs ermöglicht es, die Server unter verschiedenen Kühlbedingungen zu betreiben. Durch ein umfassendes Monitoring kann dabei sowohl die Effizienz der Kühlung als auch die Leistungsfähigkeit der IT-Komponenten überwacht werden. Die Zusammenhänge zwischen Kühltemperatur, abgeführter Wärme und Leistungsfähigkeit des IT-Systems sind relevant für eine bestmögliche Abwärmenutzung aus dem Rechenzentrum. Dabei gelten unter anderem die folgenden Beziehungen:

  • Steigende Kühltemperaturen erhöhen den Anteil der freien Kühlung und reduzieren damit den Energiebedarf für die Kältebereitstellung.
  • Hohe Kühltemperaturen sind vorteilhaft für die Abwärmenutzung.
  • Zunehmende Kühltemperaturen führen zu höheren Servertemperaturen. Dies kann die Leistungsfähigkeit der IT-Komponenten reduzieren.
  • Steigende Kühltemperaturen erhöhen den Elektroenergiebedarf der Server.
  • Hohe Kühltemperaturen führen zu mehr Wärmeverlusten.

Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen wurden diese Zusammenhänge weitestgehend quantifiziert. Die Ergebnisse der praktischen Arbeiten fließen in die Simulationen mit ein.

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Abbildung 1: Versuchsstand mit flüssigkeitsgekühlten Servern (Foto: J. Müller)

Theoretische Arbeiten und Simulation

Im Rahmen der theoretischen Arbeiten sollen verschiedene Anwendungsfälle für die Abwärmenutzung von flüssigkeitsgekühlten IT-Sytemen untersucht werden. Grundlage sind unter anderem die Erkenntnisse aus den experimentellen Untersuchungen. Prinzipiell existieren verschiedene Möglichkeiten die Abwärme zur Heizung und/oder Kühlung zu nutzen. Ein besonders interessanter Anwendungsfall bietet die Adsorptionstechnik. Durch eine geschickte hydraulische Verschaltung ist es möglich, die Rechenzentrumsabwärme im Sommer zum Kühlen (Adsorptionskältemaschine) und im Winter zum Heizen (Wärmetransformation) zu nutzen. Effizienzsteigerungen sind unter anderem durch den Einsatz von neuen Adsorbentien (metallorganische Gerüstverbindungen) möglich. Dies wurde von Dr. Andreas Velte-Schäfer et al. in einer Veröffentlichung dargelegt. Die Bewertung der Effizienz auf Anlagenebene ist nur mittels Jahressimulation möglich. Dabei ist es notwendig, verschiedene Wechselwirkungen (siehe Experimentelle Arbeiten) zu berücksichtigen. Die Untersuchung dieses Anwendungsfalls erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer ISE und der TU Chemnitz.

Monitoring

Die Abwärmenutzung von Rechenzentren setzt ein Monitoring voraus. Neben der Vermessung des Versuchsaufbaus werden im Fraunhofer ISE Messdaten von einem luftgekühlten Rechenzentrum erfasst.  Da jedes Rechenzentrum anderes aufgebaut ist und demzufolge auch anders funktioniert, nehmen vergleichende Untersuchungen eine wichtige Rolle ein. Die Erkenntnisse aus dem Monitoring fließen mit in die Simulationsuntersuchungen ein.

Veröffentlichungen

Stahlhut, M.; Pflugradt, N.; Urbaneck, T.
Wärmerückgewinnung von Rechenzentren: Die Entstehung elektrischer und thermischer Lasten
EuroHeat&Power, VDE Verlag 51. Jg. (2022), Heft 10, S. 36-41. – ISSN 0949-166X

Stahlhut, M.; Pflugradt, N.; Urbaneck, T.
Wärmerückgewinnung von Rechenzentren: Die Modellierung der Lasten
EuroHeat&Power, VDE Verlag 51. Jg. (2022), Heft 11-12, S. 28-33. – ISSN 0949-166X

Stahlhut, M.; Nefodov, D.; Urbaneck, T.
Utilizing Waste Heat from Data Centers to Supply Residential Quarters: A Simulation Study
The 18th International Symposium on District Heating and Cooling, Peking, 03.09. bis 06.09. 2023. https://www.iea-dhc.org/fileadmin/public_documents/DHC2023_Conference_proceedings_CDHA.pdf

Velte-Schäfer, A.; Laurenz, E.; Füldner, G.
Basic adsorption heat exchanger theory for performance prediction of adsorption heat pumps
iScience, Cell Press 26. Jg. (2023) Heft 12 S. 1-11. https://doi.org/10.1016/j.isci.2023.108432

Stahlhut, M.; Nefodov, D.; Urbaneck, T.
Wärmeversorgung eines Quartiers mit Rechenzentrumsabwärme – eine Simulationsuntersuchung
EuroHeat&Power, VDE Verlag 53. Jg. (2024), Heft 1-2, S. 40-47. - ISSN 0949-166X

Stahlhut, M.; Nefodov, D.; Urbaneck, T.
Einbindung von Rechenzentrumsabwärme in ein Nahwärmenetz zur Versorgung eines Wohnquartiers
Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein e. V. DKV (Hrsg.): Deutsche Kälte‐ und Klimatagung 2023 Hannover. Hannover, 2023 Tagungsband (Datenträger). – ISBN 978-3-932715-56-3. https://dkv.org/index.php?id=161

Velte-Schäfer, A.; Stahlhut, M.; Füldner, G.; Urbaneck, T.
Adsorptive Wärmetransformation in Rechenzentren - Analyse der Möglichkeiten und Grenzen
Deutscher Kälte- und Klimatechnischer Verein e. V. DKV (Hrsg.): Deutsche Kälte‐ und Klimatagung 2023 Hannover. Hannover, 2023 Tagungsband (Datenträger). – ISBN 978-3-932715-56-3. https://dkv.org/index.php?id=161

Velte-Schäfer, A.; Teicht, C.; Stahlhut, M.; May, T.; Herrmann, R.; Urbaneck, T.; Füldner, G.
Utilizing Waste Heat from Data Centers with Adsorptive Heat Transformation – Heat Exchanger Design and Choice of Adsorbent
Energy Conversion and Management 310. Jg. (2024). Nr. 118500. – ISSN 0196-8904. https://doi.org/10.1016/j.enconman.2024.118500

Stahlhut, M.; Nefodov, D.; Urbaneck, T.
Supply Residential Quarters with Data Center Waste Heat: A Simulation Study
EuroHeat&Power, English Edition, VDE Verlag (2024) Heft 2 S. 30-37. - ISSN 1613-0200-22698

Kontakt

Bild - Thorsten Urbaneck

Prof. Dr.-Ing. habil. Thorsten Urbaneck

Projektkoordinator und Teilprojektleiter 11

Technische Universität Chemnitz
Fakultät für Maschinenbau
Professur Technische Thermodynamik
09107 Chemnitz

Bild - Björn Nienborg

Björn Nienborg

 

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Heidenhofstr. 2
79110 Freiburg

 
KETEC - Forschungsplattform Kälte- und Energietechnik