Titelbild Teilprojekt 3

Probleme und Motivation

Für die Auslegung und Dimensionierung kältetechnischer Anlagen muss das thermophysikalische Verhalten der eingesetzten Kältemittel genau bekannt sein. Während dieses Verhalten für die meisten Kältemittel als Reinstoffe vergleichsweise gut bekannt ist, gibt es erhebliche Defizite für Mischungen, insbesondere wenn diese mehrphasig auftreten. Zudem müssen die Verdichter in den jeweiligen Anlagen geschmiert werden, sodass sich Kältemittel-Öl-Stoffsysteme ergeben, die sich nur sehr schwer thermophysikalisch charakterisieren lassen. Trotzdem muss eine experimentelle Charakterisierung erfolgen, damit darauf basierend Stoffdatenmodelle für die Prozesssimulation und Anlagenauslegung entwickelt werden können.

Abbildung 1 zeigt ein p,T-Diagramm, in dem berechnete Dampfdruckkurven unterschiedlicher Kältemittel [1] dargestellt sind, um das unterschiedliche Phasenverhalten zu veranschaulichen. Darüber hinaus ist die Sättigungslinie einer Mischung gezeigt (1 mol-% C10H22 im Kältemittel R1234yf), um einen Eindruck darüber zu vermitteln, dass bereits eine geringe Menge an Schmierstoff/Öl im Kältemittel (hier C10H22 stellvertretend gewählt, weil die derzeit genauesten Stoffdatenmodelle nicht mit Schmierstoffen rechnen können) eine signifikante Veränderung des Phasenverhaltens hervorrufen kann. Im Gegensatz zum reinen Stoff sind Siede- und Taulinie für eine Mischung im p,T-Diagramm nicht mehr kongruent.

Abbildung 1: p,T-Diagramm mit berechneten Dampfdruckkurven [1] unterschiedlicher Kältemittel

Ansatz und Aufgaben

In realen kältetechnischen Prozessen ist die Zusammensetzung des eingesetzten Stoffsystems während der einzelnen Prozessschritte nicht konstant. Dieses dynamische Stoffverhalten soll gezielt untersucht werden, indem Maschinen für Forschungszwecke so instrumentiert werden, dass die relevanten Stoffdaten während des Betriebs mit hinreichender Messunsicherheit ermittelt werden können. Es sollen mehrere Maschinen parallel (z. B. mit unterschiedlichen Verdichtern) mit verschiedenen Kältemitteln betrieben werden, um die Unterschiede im thermophysikalischen Stoffverhalten und eine damit verbundene Veränderung der Maschinenperformance untersuchen zu können.

Für diese Aufgabestellung sind geeignete Untersuchungsmethoden und eine hinreichend genaue Inline-Messtechnik im Wesentlichen nicht verfügbar. Deswegen müssen spezielle Messmessmethoden auf den Weg gebracht werden.
Die gewonnenen Messdaten sollen für die Entwicklung von Stoffdatenmodellen genutzt werden, die schließlich in einschlägige Prozess-Simulationssoftware (wie z. B. EBSILON Professional) eingebunden werden sollen. Die Einbindung des neu entwickelten Stoffdatenmodells OilMixProp 1.0 erfolgt mithilfe einer Dynamic Link Library (DLL) in der Programmiersprache C++.  Es ist beabsichtigt, die Voraussetzung zu schaffen, den Betrieb existierender Maschinen realitätsnah zu untersuchen und zu optimieren, die Energieeffizienz zu steigern und letztlich bessere Maschinen zu entwickeln.

Aktueller Stand

Nach der erfolgreichen Planungs- und Aufbauphase der Kältemaschine mit Propan als Arbeitsmedium erhält die Anlage nun die kalibrierten Inlinesensoren (Abbildung 2). Diese sind zentraler Bestandteil zur Erfassung des thermophysikalischen Verhaltens im Kältemittelkreislauf sowie zur Bestimmung der Ölumlaufrate (engl. oil circulation rate – OCR). Die Kalibrierung erfolgte unter Betriebs- und Messbedingungen. Hierbei wurden bekannte Reinstoffe, Standardfluide sowie die eingesetzten Schmieröle vermessen, wobei folgende Stoffgroßen berücksichtigt wurden: Schallgeschwindigkeit, Dichte, Viskosität, Druck und Temperatur. In der nächsten Projektphase soll die vollständige Versuchsbereitschaft hergestellt werden. Die Experten widmen sich in den nächsten Monaten auch folgenden Themen: die Berechnung der Ölumlaufrate (OCR), die Optimierung der optischen Messtechnik sowie die Erstellung eines digitalen Zwillings der Anlage.
Abbildung 2: Versuchs- und Experimental-Kältemaschine

Parallel zu den Entwicklungen an der Kältemaschine entsteht eine Berechnungssoftware, die zur Berechnung thermophysikalischer Eigenschaften von Ölen, gängigen Fluiden und deren Mischungen eingesetzt wird. Die Software heißt OilMixProp und ist ein in MATLAB geschriebenes Softwarepaket (Abbildung 3). Mit der Software lassen sich alle für die thermodynamische Kreislaufanalyse erforderlichen Eigenschaften wie Dichte, Phasengleichgewichte, Wärmekapazität, Entropie, Enthalpie, Schallgeschwindigkeit, Viskosität, Wärmeleitfähigkeit usw. bestimmen. Anwender können ein Öl definieren, indem sie Fluidkonstanten mit Hilfe von eingebetteten Anpassungswerkzeugen bestimmen. Bislang sind ca. 632 reine Fluide verfügbar und diese Zahl wird sich in der nächsten Version auf ca. 1500 erhöhen.

Grundsätzlich basiert OilMixProp auf der kubischen Zustandsgleichung, der isobaren Wärmekapazität als lineare Funktion der Temperatur und der residuellen Entropieskalierung. Für die Flüssigkeits-Dampf-Gleichgewichtsberechnungen, insbesondere für Mischungen, ist ein robuster Flash-Algorithmus implementiert. In der nächsten Version werden auch Berechnungen des Flüssig-Flüssig-Dampf-Gleichgewichts möglich sein.

Abbildung 3: OilMixProp Software Startoberfläche

OilMixProp soll auch für Berechnungen von Zuständen in der Propan-Kältemaschine zum Einsatz kommen. Die parallele Entwicklung (theoretische und experimentelle Arbeiten) generiert dabei diverse Synergieeffekte. Beispielsweise ist für die Bestimmung der Ölumlaufrate in der Anlage, die Kenntnis über die Dichte des Kältemittel-Öl-Gemisches erforderlich. Die bereits an der Kältemaschine durchgeführten Dichtemessungen der Kältemittel-Öl-Gemische werden hier zur Optimierung der Berechnungssoftware OilMixProp eingesetzt. Unterdessen erfolgt auch die Implementierung von OilMixProp in ein eigenes EBSILON-Modell. In Zukunft soll der digitale Zwilling zum Beispiel Ölumlaufrate modellieren. Die Bestimmung der Ölumlaufrate ist auch Ziel des Einsatzes der optischen Messtechnik.

Erste Messungen mit der hinter dem Kompressor am Schauglas installierten optischen Messtechnik ermöglichen Einblicke in das Strömungsverhalten sowie die Zusammensetzung des Kältemittel-Öl-Gemischs (Abbildung 4). Die Aufnahmen zeigen kleine Öltropfen, welche sich von Bild zu Bild bewegen und somit einen Teil des umlaufenden Öls darstellen (rote Markierung). Die Zeitspanne zwischen den einzelnen Bildern beträgt lediglich 7 µs. Die dunklen Flecken, die zum Teil wellenartige Muster ausbilden, sind dem Ölfilm an der Scheibe des Schauglases zuzuordnen. Dieser Film verläuft vermutlich ringförmig an der Rohrinnenwand, bewegt sich deutlich langsamer als die Öltropfen und verändert sich dadurch nur geringfügig zwischen den Aufnahmen. Die Messergebnisse belegen die Leistungsfähigkeit des Messsystems, zeigen jedoch auch neue Herausforderungen auf. So verschattet der Ölfilm teilweise die Sicht auf die Ölpartikel und ist selbst in Bezug auf Geschwindigkeit und Filmdicke nur bedingt zu quantifizieren. Durch Modifikationen am Schauglas wird nun versucht, den Ölfilm von der Scheibe zu lösen, um die Messbedingungen zu verbessern.

Abbildung 4: Aufnahmen der optischen Messtechnik zur Beurteilung der Öltropfen

Veröffentlichungen

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Linking Viscosity to Equations of State Using Residual Entropy Scaling Theory
Int J Thermophys 2022, 43 (12), 183. https://doi.org/10.1007/s10765-022-03096-

Cikmaz, C.; Yang, X.; Oltersdorf, T.; Urbaneck, T.; Richter, M.
Design of a Refrigeration Machine with Accurate Inline Refrigerant-Oil Property Measurements for Operation Optimization
Proceedings of ICR2023- 26th International Congress of Refrigeration. https://doi.org/10.18462/iir.icr.2023.0198

Yang, X.; Xiao, X.; Thol,  M.; Bell, I. H.; Richter, M.
A residual entropy scaling approach for viscosity of refrigerants, other fluids and their mixtures
Proceedings of ICR2023- 26th International Congress of Refrigeration. https://doi.org/10.18462/iir.icr.2023.0516

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Yang, X.; Hanzelmann, C.; Feja, S.; Trusler, M.; Richter, M.
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Industrial & Engineering Chemistry, American Chemical Society 62. Jg. (2023) Heft 44 S. 18736-18749. https://doi.org/10.1021/acs.iecr.3c02474

Cikmaz, C.; Yang, X.; Richter, M.
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Yang, X.; Richter, M.
Thermophysical Property Model of Lubricant Oils and Their Mixtures with Refrigerants
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Yang, X.; Richter, M.
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Yang, X.; Frotscher, O.; Richter, M.
Symbolic-Regression Aided Development of a New Cubic Equation of State for Improved Liquid Phase Density Calculation at Pressures Up to 100 MPa
Int J Thermophys 2025, 46 (2), 29. https://doi.org/10.1007/s10765-024-03490-5

Martinek, V.; Bell, I.; Herzog, R.; Richter, M.; Yang, X. 
Entropy Scaling of Viscosity IV - Application to 124 Industrially Important Fluids
J. Chem. Eng. Data 2025, 70 (2), 727–742. https://doi.org/10.1021/acs.jced.4c00451

Yang, X. 
Viscosity and Thermal Conductivity Models of 151 Common Fluids Based on Residual Entropy Scaling and Cubic Equations of State
ACS Omega, American Chemical Society 10 Jg. (2025), Heft 6, S. 6124–6134. https://doi.org/10.1021/acsomega.4c10815

Lin, G.; Yang, X.; Sadeghi Pouya, E.; May, E. F.; Richter, M. 
Adsorption-Based Separation of Refrigerant Blends Using ZIF-7 and ZIF-8: Isothermal High-Pressure Gravimetric Sorption Measurements
Fluid Phase Equilibria 597 Jg. (2025), Heft 114449. https://doi.org/10.1016/j.fluid.2025.114449

Xiao, X.; Yang, X. 
Evaluating Cubic Equations of State with Various α Functions for Viscosity Predictions of 124 Industrial Important Fluids Based on Residual Entropy Scaling
ACS Omega, American Chemical Society 10 Jg. (2025), Heft 27, S. 29021-29036. https://doi.org/10.1021/acsomega.5c01157

Quellen

  1. E.W. Lemmon, H.I. Bell, M.L. Huber, M.O. McLinden, NIST Standard Reference Database 23: NIST Reference Fluid Thermodynamic and Transport Properties Data (REFPROP): Version 10.0 (2018).

Kontakt

Bild - Thorsten Urbaneck

Prof. Dr.-Ing. habil. Thorsten Urbaneck

Projektkoordinator und Teilprojektleiter 3

Technische Universität Chemnitz
Fakultät für Maschinenbau
Professur Technische Thermodynamik
09107 Chemnitz

 
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