Heißwasserspeicher

Die sogenannten Stocktagungen (englisch Stock für Lager) sind der Höhepunkt für jeden Speicherexperten. Diese wissenschaftliche Konferenz findet nur alle drei Jahre statt. In der Vergangenheit hatte die Tagung spezielle Namen wie zum Beispiel: EnerStock (1985), JigaStock (1988), ThermaStock (1991), CalorStock (1994), MegaStock (1997), TerraStock (2000), FutureStock (2003), EcoStock (2006), Effstock (2009), InnoStock (2012), GreenStock (2015). Ab 2018 verwenden die Organisatoren wieder den Namen EnerStock. Die Internationale Energieagentur (IEA) organisiert diese Spitzenveranstaltung über das Energy Storage Technology Collaboration Programme (ES TCP, früher Energy Conversation through Energy Storage ECES), die Hunderte von Spezialisten aus der gesamten Welt zusammenbringt. Die Konferenz adressiert thermische Energiespeicher (Wärme- und Kältespeicher). Die Experten stellen aktuelle Beiträge zu vielfältigen Speicherkonstruktionen und -verfahren vor:

  • sehr große Tank- und Beckenspeicher sowie Speicher im Untergrund (Aquifer-, Erdsonden- und Kavernenspeicher),
  • Nutzung des Phasenwechsels, der Adsorption und umkehrbarer chemischer Reaktionen für Speicherzwecke,
  • Speicher in Gebäuden und mit Sektorenkopplung,
  • die Modellierung der Wärmeübertragung und von Speichersystem usw.

Die Übersichtsberichte zu technischen Entwicklungen und nationalen Tendenzen sind immer besonders interessant, da es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Deswegen nahmen auch Experten der Energiewirtschaft und der Forschungsförderung teil.
Die Enerstock 2024 fand vom 5. bis 7. Juni 2024 in Lyon (Frankreich) statt. Die Veranstaltung wurde vom lokalen Fachbereich für Bauingenieurwesen und Stadtplanung des INSA Lyon (Nationales Institut der angewandten Wissenschaften in Lyon) veranstaltet. Die Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz trat in folgenden Disziplinen an:

  • Heißwasserspeicher (Wärmespeicher): Die hochgenaue Simulation von Strömungseffekten in radialen Diffusoren mit Drallbeladung von Felix Oestreich, Thorsten Urbaneck.

Der Einsatz thermischer Energiespeicher in der Fernwärmeversorgung steigert die Systemeffizienz. In der Fernwärmeversorgung können sog. schlanke Heißwasserspeicher dieses Ziel ermöglichen. Voraussetzung dafür sind effiziente Speicher mit niedrigen internen und externen Verlusten. Aufgrund der besonderen Speichergeometrie entstehen nachteilige Strömungseffekte (z. B. Wandströmung) bei der Beladung (hohe interne Verluste). Zur Überwindung dieser strömungsmechanischen Herausforderungen schlägt Platzer et al. [1] die Beladung mit Drall vor. Dadurch tritt das Beladefluid rotierend in den Speicher ein. Die Strömung ändert sich grundlegend. Hier setzt dieser Artikel an. Die numerische Strömungssimulation (CFD) erfolgt mit Ansys CFX. Im Ergebnis werden erstmalig die Wirbelströmungen im Diffusor (z. B. Längs-, Quer- und Görtler-Wirbel) sichtbar. Die Speichersimulation zeigt die transiente Entwicklung der thermischen Schichtung mit Wirbeleffekten (z. B. Kelvin-Helmholtz-Wirbel, Kopf-Nase-Struktur, freie Scherschichten).

  • Hybride Speicher (Wärmespeicher, Dampf und Phasenwechselmaterial): Die Auswahl von Speichersystemen für die industrielle Dampfversorgung mit Wärmepumpen von Dimitri Nefodov, Haochen Wang, Markus Richter, Robin Berlin, Thorsten Urbaneck.

Bei der industriellen Prozesswärmeversorgung wird häufig Dampf als Wärmeträgermedium eingesetzt. Deren Erzeugung benötigt jedoch relativ viel Energie [2]. Beispielsweise machte im Jahr 2019 die Prozesswärme ca. 66,7 % des Energieverbrauchs der deutschen Industrie aus [3]. Vor dem Hintergrund, dass die Europäische Union einen Rückgang der jährlichen Treibhausgasemissionen um 55 % bis zum Jahr 2030 anstrebt und bis zum Jahr 2050 Europa klimaneutral sein soll, muss u. a. die Prozesswärmeversorgung der Industrie stärker in den Fokus rücken. Konzepte zur Realisierung der hochverfügbaren, emissionsarmen und energieeffizienten Bereitstellung von Dampf für industrielle Prozesse basierend auf Wärmepumpen-Speicher-Systemen wurden grundlegend untersucht.

  • Eisbrei (Kältespeicher): Ein neuer Prozess zur Erzeugung von Eisbrei auf der Basis eines dispersen Zwei-Stoff-Systems von Manuel Matthes, Jonathan Rausendorf, Markus Richter, Thorsten Urbaneck.

Es wurde ein neuartiges Verfahren zur Eisbreierzeugung basierend auf einem dispergierbaren Zweistoffsystem aus Wasser (Kälteträger) und einem Gas/Gasgemisch (Kältemittel, z. B. Kohlendioxid) entwickelt [4], [5]. Das Verfahren basiert auf der Zusammenführung der beiden Stoffströme unter hohem Druck und der anschließenden Entspannung. In Abhängigkeit der Prozessbedingungen können verschiedene Kälteeffekte auftreten und für die Eisbildung genutzt werden. Der Artikel beschreibt das geschlossene Verfahren, den grundlegenden Aufbau der Anlage sowie Vorbetrachtungen zur experimentellen Untersuchung.


Der „Trainer“, Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, ist seit der TerraStock (2000) dabei. Er schätzt das Format und den wissenschaftlichen Austausch. Urbaneck erläutert: „Wir haben stets wichtige Impulse für unsere Arbeiten mitgenommen.Für uns ist weiterhin wichtig, wie Kollegen Speicherprojekte in der Praxis umsetzten, da aus verschiedenen Gründen die Potenziale der Speichertechnik leider nicht ausgeschöpft werden. Das betrifft aber alle Techniken, die eine Effizienzsteigerung von Versorgungssystemen herbeiführen.“

Wärme- und Kältespeicher bzw. Versorgungssystem mit Speichern sind ein Schwerpunkt auf der KETEC-Plattform (Teilprojekt 2, Teilprojekt 9, Teilprojekt 10). In Zusammenarbeit mit den Industriepartnern sollen neue Konstruktionen und Betriebsweisen umgesetzt und großtechnisch getestet werden. Dabei verfolgen die Akteure diese Ziele:

  • Reduktion der spezifischen Investitionskosten (z. B. über die Steigerung der spezifischen Kapazität),
  • Senkung der Speicherverluste (z. B. über die Verbesserung der thermischen Schichtung),
  • Steigerung des Betriebsbereichs (z. B. höhere Temperaturen),
  • Verbesserung der Einbindung des Speichers ins System.

Dies kann nur gelingen, wenn neustes Wissen in die Entwicklungen einfließt und ein Vorsprung ggü. herkömmlichen Lösungen erarbeitet wird.


Quellen
[1] Platzer, B.; Findeisen, F.; Urbaneck, T.; Winkler, T.: Verfahren und Vorrichtung zum Be- und/oder Entladen eines thermische Energiespeichers. Europäisches Patent, EP37044, erteilt am 07.06.2023.
[2] Bazzanella, M.; Ausfelder, F.: Low carbon energy and feedstock for the European chemical industry. Technologische Studie, DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., Frankfurt am Main, 2017.
[3] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Energieeffizienz in Zahlen. Entwicklungen und Trends in Deutschland 2021. URL: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/energieeffizienz-in-zahlen-entwicklungen-und-trends-in-deutschland-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6 [abgerufen am: 12.04.2023].
[4] Urbaneck, T.; Richter, M.: Verfahren und Anlage zur Erzeugung von Eis, Eisbrei/Eispartikeln, Schnee, Hydraten, Kaltwasser oder deren Kombinationen bzw. Mischung/Suspension in einem geschlossenen Prozess. DE 10 2022 134 153.4, Patentanmeldung vom 20.12.2022.
[5] Urbaneck, T.; Richter, M.: Verfahren und Anlage zur Erzeugung von Eis, Eisbrei/Eispartikeln, Schnee, Hydraten, Kaltwasser oder deren Kombinationen bzw. Mischung/Suspension in einem geschlossenen Prozess. DE 20 2022 107 104, Gebrauchsmusteranmeldung vom 20.12.2022, Eintragung am 01.03.2023.

Foto: T. Urbaneck

KETEC - Forschungsplattform Kälte- und Energietechnik