Dipl.-Ing. Markus Müller ist Leiter des Hauptbereichs Kälte- und Wärmepumpentechnik am Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH. Gleichzeitig übernimmt er die Projektleiterfunktion für das ILK im großen KETEC-Verbund. Im Teilprojekt 4, welches von Dipl.-Ing. Ralf Noack verantwortet wird, geht es um die Entwicklung einer Hochtemperatur-Wärmepumpe im mittleren Leistungsbereich inklusive der dafür notwendigen Prüfstandstechnik.
Nun freuen wir uns, dass die Fertigstellung der Wärmepumpe kurz bevor steht. Bei einem Treffen zwischen dem KETEC-Projektkoordinator Prof. Urbaneck und dem ILK-Projektleiter Markus Müller konnten sich die Beteiligten vom fortgeschrittenen Arbeitsstand überzeugen. Lediglich die Fertigstellung der Verkabelung und die Inbetriebnahme der Software/Regelung steht dem ersten Einschalten noch im Wege. Getestet wird die Maschine zunächst im ILK-Prüffeld mit den ebenfalls im KETEC-Projekt entstandenen modularen Prüfständen. Später ist dann eine Umsetzung in die Außenstelle der TU Chemnitz in Reichenbach vorgesehen. Im Weiteren werden die bisherigen Ergebnisse und die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten vorgestellt.
Wie wurden die Arbeiten motiviert?
Die Dekarbonisierung der Prozesswärmeerzeugung ist ein wesentlicher Teil der angestrebten Wärmewende in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt. Die dafür notwendigen Temperaturen oberhalb von 100°C lassen sich mit Standard-Wärmepumpen nicht erreichen. Deshalb sind vielfältige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet zu finden. Im ILK wurde vor einigen Jahren ein Versuchsmuster im kleineren Leistungsbereich erfolgreich getestet. Dies motivierte dazu, auch im größeren Leistungsbereich solch eine Anlage zu entwickeln. Insbesondere die Nutzung von im Wesentlichen Standardkomponenten soll das Endprodukt vergleichsweise preiswert machen.
Welche Arbeiten wurden/werden durchgeführt? Was sind die erzielten Ergebnisse?
Mit der Entwicklung der Hochtemperatur-Wärmepumpe wurde parallel eine Prüfmethodik und der dazu notwendige Testaufbau in Form von modularen Hochtemperatur- Prüfständen konzipiert. Im Mittelpunkt der Wärmepumpe steht der Kältemittelverdichter, der mit dem gewählten Kältemittel bei den hohen Betriebstemperaturen besondere Anforderungen erfüllen muss.
Aus der Vorgabe, möglichst Standardbauteile zu nutzen, waren vorhandene Standardverdichter eingehend auf Eignung und einfache Modifizierungsmöglichkeiten zu untersuchen. Neben der Auswahl eines geeigneten Öls spielt insbesondere die effektive Kühlung des Motors eine zentrale Rolle.
Um die Eignung der vorgesehenen Verdichter zu überprüfen, wurden diese auf modifizierten Verdichterleistungsprüfständen des ILK eingehend getestet. Dabei traten einige Herausforderungen auf, die jedoch durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Verdichterhersteller größtenteils gelöst werden konnten. Es zeigte sich aber auch, dass speziell auf dem Gebiet der Verdichtertests für Hochtemperaturanwendungen vorhandene Prüfstände nur eingeschränkt nutzbar sind. In diesem Feld ist noch Entwicklungsbedarf gegeben.
In diesem Projekt wurden aufgrund der Einschränkungen der Prüfstände praxisnahe Handlungsanweisungen für den Test und den Einsatz der Verdichter in Hochtemperaturanwendungen erarbeitet. Die Mitarbeiter konzipierten die Prüfstände mit besonderem Fokus auf Modularität, da neben der Temperaturbeständigkeit eine präzise Leistungsaufnahme über einen weiten Bereich – von kleinen bis großen Leistungen – zu ermöglichen ist. Die zweite Herausforderung war die Auslegung auf den Betrieb bei tiefen und hohen Temperaturen. Diese Anforderungen konnten in der Umsetzung erfolgreich realisiert werden.
Welche Ziele wurden verfolgt?
Erstens: Die Entwicklung und der Aufbau einer Hochtemperatur-Wärmepumpe unter Verwendung eines A1-Kältemittels sowie die Einrichtung technischer Anlagen zur Prüfung und Betriebsoptimierung der Wärmepumpe.
Zweitens: Die Implementierung der entwickelten Hochtemperatur-Wärmepumpe in die neu zu errichtende technische Plattform am Standort Reichenbach. In einem weiteren Schritt soll die Wärmepumpe in die dort vorhandene Infrastruktur eingebunden werden.
Worin liegen die wissenschaftlich-technischen Herausforderungen?
Die Entwicklung und Umsetzung einer Hochtemperatur-Wärmepumpe brachte eine Reihe komplexer Herausforderungen mit sich. Zu den zentralen Punkten, die im Projekt gelöst werden mussten zählen:
- Auswahl eines geeigneten Kältemittels sowie eines dazu kompatiblen Kältemaschinenöls mit einer Eignung im Bereich hoher Temperaturen,
- Optimierung zentraler Komponenten, insbesondere des Verdichters und des integrierten Motors, im Hinblick auf Effizienz, Belastbarkeit und thermische Stabilität,
- sicheres und zuverlässiges Anfahren der Wärmepumpe bei niedrigen Umgebungstemperaturen,
- Entwicklung von intelligenten Regelstrategien für einen energieeffizienten und betriebssicheren Anlagenbetrieb.
Worin besteht die Innovation?
Hochtemperatur-Wärmepumpen sind oft Spezialkonstruktionen, was zu hohen Herstellungskosten führt. Das Ziel dieses Teilprojekts bestand im Nachweis, dass der Bau einer leistungsfähigen Hochtemperatur-Wärmepumpe auch mit weitgehend handelsüblichen oder nur minimal modifizierten Bauteilen realisierbar ist. Dadurch wird es möglich, das Potenzial von Wärmepumpen auf kosteneffiziente Weise zu nutzen. Diese Wärmepumpe soll eine besonders effiziente Nutzung von niedertemperierter Abwärme ermöglichen. Dabei wird diese ausschließlich mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben, um eine exzellente Umweltbilanz zu erzielen.
Wie sieht die aktuelle und geplante wissenschaftliche sowie wirtschaftliche Verwertung aus?
Die (Zwischen-)Ergebnisse der Entwicklung wurden der Wärmepumpenbranche auf mehreren nationalen und internationalen Konferenzen präsentiert. Auf dieser Grundlage wird angestrebt, weitere Kooperationen zu etablieren. Die wirtschaftliche Verwertung soll insbesondere mit Partnern erfolgen, die ihr Geschäftsfeld im Bereich Wärmepumpenbau erweitern oder neu einsteigen möchten. Auf diese Weise können die gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Praxis umgesetzt werden.
Wie wird das Ergebnis in die praktische Verwertung übertragen?
Wichtigster Meilenstein ist die Inbetriebnahme der Wärmepumpe am Standort des ILK in Dresden. Später planen die Mitarbeiter eine Umsetzung nach Reichenbach auf die Plattform. Auf diesem Wege soll es gelingen, potenzielle Kooperationspartner auf das Projekt und die Möglichkeiten aufmerksam zu machen.
Wann wäre frühestens ein Einsatz möglich?
Bis zur Marktreife der Hochtemperatur-Wärmepumpe vergehen vermutlich noch etwa zwei bis vier Jahre.
Wie sieht die Anschlussfähigkeit aus?
Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung von Hochtemperatur-Wärmepumpen. Insbesondere ein Umstieg auf umweltfreundliche Kältemittel ist in der Folge ein logischer Schritt. Dabei sollen die Erkenntnisse mit dem Umgang mit den hohen Temperaturen genutzt werden.
Wem nutzt die Arbeit/das Ergebnis?
Das ILK Dresden strebt durch den Erkenntnisgewinn neue Kooperationen mit potenziellen Herstellern und Anwendern an. Dabei liegt der Fokus möglichst auf regionalen Produzenten bzw. Lieferanten. Anwender aus der Industrie/dem Gewerbe können mit der neuen Hochtemperatur-Wärmepumpe hochtemperierter Abwärme zur Erzeugung von Prozesswärme nutzen.
Welche weiteren Vorteile ergeben sich?
Wenn die Wärmeproduktion oberhalb von 100°C künftig vermehrt durch Wärmepumpen anstelle von fossilen Brennstoffen erfolgt, ergeben sich sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile. Der Energieverbrauch wird reduziert, und gleichzeitig werden die Treibhausgasemissionen gesenkt.
Text: Markus Müller, Fotos: Thorsten Urbaneck