Dr. Holger Neumann vom KIT ist ausgewiesener Experte im Bereich Kryotechnik (Tieftemperaturtechnik). Seit vielen Jahren organsiert er das DKV-Seminar Kühlung von Rechenzentren. Dieses Seminar ist nicht nur ein heißes Thema aus Sicht der Kältetechnik. Dies zeigte ein voll besetztes Seminar und das Tagungsprogramm:
- Begrüßung und Einführung, Dr. Holger Neumann, KIT,
- Marktentwicklungen und Energieeinsparpotenziale bei Rechenzentren, Dr. Ralph Hintemann, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit,
- Normen, Dr. Berthold Mengede,
- Vergleich der Luft‐ und Wasserkühlung, Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, Technische Universität Chemnitz,
- RZ‐Kühlung aus der marktwirtschaftlichen Sicht, Thomas Fischer, dc‐ce RZ‐Beratung GmbH & Co. KG,
- Das reale Verhalten flüssigkeitsgekühlter Server, Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, Technische Universität Chemnitz,
- Kühlungsmedien, ‐kreisläufe, Komponenten in der IT‐Welt, Juan Carlos Cacho Alonso, Rittal
- Nutzung von Wärmepumpen, Dr. Rainer Jakobs,
- Wärmerückgewinng in Rechenzentren, Uwe Stöbel, STULZ GmbH,
- Energieeffizientes Hochleistungsrechnen am KIT, Rene Caspart und Robert Barthel, KIT,
- Besichtigung des Nationalen HPC‐Rechenzentrums am KIT, Rene Caspart und Robert Barthel, KIT.
Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit brachte es auf den Punkt: „Die Zeit unterm Radar ist vorbei.“ Insbesondere das rasante Wachstum von Rechenzentren in den USA, welches durch die KI und sehr große Unternehmen bzw. von Investitionen im Bereich von mehreren 100 Milliarden US-Dollar getrieben wird, beschäftigte alle Teilnehmer und sorgte für angeregte Diskussionen. Verpassen wir etwas in Deutschland? Können wir überhaupt mithalten? Haben wir eine Chance diesem Megatrend zu folgen? Insbesondere die Praktiker wiesen auf die Probleme bei der Planung und dem Bau von Rechenzentren hin, welche durch umfangreiche Gesetze und Verordnungen sowie sehr lange Genehmigungszeiten verursacht werden. In einer schnelllebigen Branche können langwierige Vorlaufprozesse nachteilig hinsichtlich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein.
Ein heißes Diskussionsthema war auch die Abwärmenutzung von Rechenzentren. Technisch gibt es viele Ansätze, die effizient, umweltfreundlich und kostengünstig sind. Die Herausforderungen entstehen dadurch, dass die IT- und Wärmeversorgungsbranche zusammenarbeiten müssen. Das beschreibt der Fachbegriff Sektorkopplung. Beide Branchen haben unterschiedliche Vorgaben und Interessen. Die Vortragenden ließen sich von den Herausforderungen nicht beeindrucken. Es wurden sehr interessante Ansätze (z. B. Einsatz von Wärmepumpen), technische Lösungen (z. B. direkte Flüssigkeitskühlung) und Produkte (z. B. Komplettlösungen zur Ausrüstung von Rechenzentren) vorgestellt. Vor zehn Jahren waren die Vertreter, die sich mit der Flüssigkeitskühlung beschäftigten, Exoten. Wenn 2018 ein typischer Prozessor 180 W Wärme abgegeben hat, sind es heute 500 W. Experten prognostizieren 800 W pro Prozessor und 1 MW Wärmeabgabe für Racks in einer Reihe. Das kann man mit einer Großkesselanlage vergleichen. Aufgrund des Anstiegs der elektrischen Leistungsdichte ist eine Flüssigkeitskühlung bei Hochleistungs-Servern nicht mehr zu umgehen. Diese Schlüsseltechnik wird schwerpunktmäßig im Teilprojekt 11 untersucht. Hier liefern die Untersuchungsergebnisse neue und belastbare Informationen, die für die Planung und den Betrieb notwendig sind.
Aufgrund energiewirtschaftlicher Rahmenbedingungen kann man Lösungen aus anderen Ländern (z. B. ohne Wärmenutzung) nicht einfach auf Europa oder Deutschland übertragen. Die Steigerung der Energieeffizienz – hier die Abwärmenutzung aus Rechenzentren – ist volkswirtschaftlich sehr wichtig und unumgänglich. Allerdings bestehen grundsätzliche Probleme. Im Sommer sind die Heizlasten niedrig, dann kann die Rechenzentrumswärme nur teilweise genutzt werden. Weiterhin befinden sich große Rechenzentren nicht immer in Gebieten mit hohem Wärmebedarf. Diese Herausforderungen lassen sich weitgehend technisch lösen. Beispielhaft sind der Bau von mittelgroßen Rechenzentren im Bereich von Wärmenetzen und Wärmespeichern zu nennen. Erste Pilotprojekte in Europa zeigen die Machbarkeit. D. h., Rechenzentren sind sehr gute Wärmequellensysteme für Wärmepumpen-Heizanlagen ggü. anderen Lösungen (z. B. Außenluft, Flusswasser). Deswegen ist die Branche auf einem gutem Weg. Das DKV-Seminar zeigte, dass Experten an vielen Stellen arbeiten, um die Herausforderungen zu meistern.
Fotos: Thorsten Urbaneck