Maximilian Stahlhut, M. Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz. Er arbeitet zusammen mit Kolleginnen und Kollegen im Teilprojekt 11. In diesem Teilprojekt geht es um die Anwendung der Abwärme aus großen Rechenzentren. Und Maximilian Stahlhut präsentiert in diesem Beitrag den ersten Rechenschaftsbericht. Er stellt die Ergebnisse und die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten vor.
Wie werden die Arbeiten motiviert?
Die zunehmende Digitalisierung und der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz erfordern den Einsatz leistungsfähiger Rechenzentren. Dies führt weltweit zu einem steigenden Strombedarf. In Europa entfallen zurzeit etwa zwei Prozent des gesamten Stromverbrauchs auf Rechenzentren – Tendenz steigend. Gleichzeitig bleibt ein erheblicher Teil der entstehenden Abwärme ungenutzt.
Welche Arbeiten wurden/werden durchgeführt? Was sind die erzielten Ergebnisse?
Wir haben einen Versuchsstand zur Vermessung von Servern mit direkter Flüssigkeitskühlung aufgebaut. Dieser besteht aus einer Art Minirechenzentrum, Kühlkreisläufen und umfangreicher Messtechnik. Ziel war es, das elektrische und thermische Verhalten der Server unter unterschiedlichen Betriebsbedingungen zu bestimmen. D. h., es musste gemessen werden, wie viel Strom die Server und die Peripherie bei einer bestimmten Rechenleistung aufnehmen. Welche Abwärmeleistung kann man mit der Flüssigkeitskühlung entziehen? Und welche Temperaturniveaus sind für den Server und die Wärmerückgewinnung günstig? All diese Fragen wurden umfassend geklärt und veröffentlicht. Basierend auf diesen Messungen entwickelte ich ein Modell für die flüssigkeitsgekühlten Server. Dieses Modell wird zurzeit in Simulationen eingesetzt, welche das Rechenzentrum und die Wärmeversorgung vollständig abbilden. D. h., hier muss man alle Teilsysteme komplett abbilden: Stromversorgung, Rechenzentrum, Wärmepumpen, Speicher, Rückkühler, Wärmenetz und Verbraucher, wie Gebäudeheizung und Trinkwassererwärmung. Die Simulationen sind auch deswegen so umfangreich, weil sehr viele Parameter variiert werden. Das sind die Rechenzentrumsgröße und der -betrieb, die Größe der Wärmeversorgung (z. B. vom Institutsgebäude hin zu Nahwärmenetzen), die Vor- und die Rücklauftemperatur der Heizung, die Kapazität des Speichers usw. Bei typischen Heizanwendungen zeigt sich, dass der Anteil der wiederverwendeten Energie aus dem Rechenzentrum größer ist, wenn die Abwärme nicht die gesamte Wärmelast deckt. Dies liegt an den unterschiedlichen Lastverläufen. Unsere Ergebnisse verdeutlichen außerdem, dass eine vollständige Wärmeversorgung mit Rechenzentrumsabwärme erheblich von der Integration thermischer Energiespeicher profitiert. Zu diesem Thema liegen auch schon die ersten Veröffentlichungen vor.
Welche Ziele wurden verfolgt?
Das Hauptziel bestand/besteht darin, die anfallende Abwärme aus Rechenzentren möglichst effizient zu nutzen. Durch die detaillierte Analyse des Serververhaltens auf der Basis eigener Messwerte ist eine genaue Modellierung des Rechenzentrumsbetriebs möglich. Aber auch die Modellierung der Wärmeabnehmer erfolgt möglichst praxisnah. Hier wurden Messwerte eines Nahwärmenetzes verwendet. Dies ermöglicht wiederum eine gute Simulation des gesamten Systems mit den Wechselwirkungen zwischen der Informations- und Wärmetechnik. Das Modell muss so gut sein, dass man Untersuchungen in einem weiten Parameterbereich durchführen kann, um wichtige Zusammenhänge und Optima bestimmen zu können.
Worin liegen die wissenschaftlich-technischen Herausforderungen?
Die Informationstechnologie entwickelt sich rasant. Deswegen müssen Modelle so konzipiert sein, dass sie zukünftige Änderungen in der Hardware berücksichtigen – etwa neue Temperaturanforderungen oder steigende Leistungsdichten der Bauteile. Zusätzlich erfordert diese Art von Forschung eine enge Zusammenarbeit zwischen der Energie- und Informationstechnik. Diese Schnittstellenarbeit war nur durch die gute Kooperation mit der Firma Megware möglich.
Worin besteht die Innovation?
Wir haben das thermische und elektrische Verhalten von Servern detailliert analysiert und in ein Modell überführt. Dazu war der Aufbau eines speziellen Versuchsstandes notwendig. In einem ähnlich aufgebauten Rechenzentrum wäre eine derartige Bestimmung nicht möglich gewesen, weil dort der Einfluss des praktischen Betriebs zu groß und die Messungenauigkeit zu hoch sind. Das neuartige Berechnungsmodell und Simulation ermöglichen eine genaue und realitätsnahe Simulation von großen Rechenzentren, Wärmeversorgungszentralen einschließlich großer Wärmenetze. Diese ganzheitliche Betrachtung bzw. die Simulationsergebnisse bilden die Grundlage für ein besseres Verständnis der Problematik, für die Untersuchung von Anwendungsfällen sowie für die technische und wirtschaftliche Optimierung dieser Lösung.
Wie sieht die aktuelle und geplante wissenschaftliche sowie wirtschaftliche Verwertung aus?
Die wissenschaftliche Verwertung erfolgte durch mehrere Veröffentlichungen und Abschlussarbeiten. Dank der engen Zusammenarbeit mit Industriepartnern – darunter Serverhersteller und Rechenzentrumsplaner – lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Praxis überführen.
Wie wird das Ergebnis in die praktische Verwertung übertragen?
Unsere Ergebnisse fließen in konkrete Planungsgrundlagen und Handlungsempfehlungen ein. Wir liefern Kennwerte und Funktionen, die Experten für die Auslegung und Optimierung verwenden können. Dafür verwenden wir auch typische Anwendungsfälle, wie Nahwärmenetze zur Quartiersversorgung.
Wann wäre frühestens ein Einsatz möglich?
Grundsätzlich ist der Einsatz der Erkenntnisse und Ergebnisse sofort möglich. Die entwickelten Konzepte können direkt mit bestehenden und neuen Rechenzentren kombiniert werden.
Wie sieht die Anschlussfähigkeit aus?
Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich energieeffizienter Rechenzentrumsbetrieb und Wärmeauskopplung. Besonders durch die rasant steigenden Rechenkapazitäten für KI-Anwendungen und die zunehmende Regulierung im Bereich nachhaltiger IT-Infrastrukturen gewinnt die effiziente Nutzung von Abwärme weiter an Bedeutung.
Wem nutzt die Arbeit/das Ergebnis?
Unsere Arbeiten richten sich insbesondere an Rechenzentrumsplaner, Planer im Bereich Technische Gebäudeausrüstung sowie Stadtwerke und regionale Energieversorger. Ein besseres Wissen sorgt für eine höhere Akzeptanz sowie für mehr Sicherheit bei der Planung und im Betrieb. Das ist besonders wichtig, wenn zwei verschiedene Fachgebiete wie die Informationstechnik und die Wärmeversorgung zusammenkommen. Nur dann lassen sich Projekte und neue Geschäftsmodelle generieren.
Welche weiteren Vorteile ergeben sich?
Eine effizientere Abwärmenutzung kann Wärmepreise senken und stabilisieren. Dabei können fossile Energieträger verdrängt werden. Das führt in der Regel zur Senkung der Importabhängigkeit und ökologischen Vorteilen. Gleichzeitig kann der Rechenzentrumsbetrieb optimiert werden (z. B. Senkung des Strombedarfs).
Text: Maximilian Stahlhut, Fotos: Thorsten Urbaneck